Vortragsprogramm Frühjahr/Sommer 2025

 

Donnerstag, 8. Mai | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3

Prof. Dr. Katharina Wesselmann (Potsdam)
Attis: Die falsche Frau. (De-)Konstruktion von Geschlecht in Catulls carmen 63

In seinem Carmen 63 schildert Catull die Verwandlung des jungen Griechen Attis in einen sexuell ambivalenten Jünger der Göttin Kybele. Die Instabilität der Geschlechts­identität, die im Gedicht unter anderem durch eine Mischung weiblicher und männlicher Formen ausgedrückt wird, hat in Textkritik und Übersetzung gleicher­maßen Verwirrung gestiftet und zu Anpassungen geführt, die den Text binärer und damit leichter verständlich machen. Im Zuge einer modernen Infragestellung der Ein­deutigkeit geschlechtlicher Identitäten kann die Figur des Attis nun gerade in ihrer Fragilität gewürdigt werden.

 

Donnerstag, 15. Mai | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3  

Prof. Dr. Jan Meister (Tübingen)
Des Kaisers neuer Körper. Die 'somatische Wende' der römischen Monarchie in der beginnenden Spätantike

Die römische Monarchie ist ein historischer Sonderfall: Aus einer städtischen Adels­republik hervorgegangen standen die römischen Kaiser vor der Herausforderung, ihre monarchische Machtstellung in die traditionelle Ehrhierarchie der alten res publica einzupassen. Als zentrales Medium herrschaftlicher Repräsentation hatte der kaiserliche Körper diesem Umstand Rechnung zu tragen und eine zu offensive Distanzierung von aristokratischen Körperbilden zu vermeiden. Zwischen dem 3. und 4. Jahrhundert kam es jedoch zu einem grundlegenden Wandel: Exklusive Insignien traten in den Vordergrund und überlagerten den individuellen Kaiserkörper, der Um­gang mit Krankheit und Vulnerabilität erfuhr eine Neubewertung und mit der zunehmenden Bedeutung von Askese entstanden neue Körperpraktiken, die eine charismatische Sakralisierung des Kaisers begünstigten. Es handelt sich um eine ei­gentliche „somatische Wende“, an deren Ende eine grundlegend neue Vorstellung vom kaiserlichen Körper steht.

 

Donnerstag, 22. Mai | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3

Dr. Viktoria Räuchle (München)
Chain My Heart! Der gefesselte Eros in der griechisch-römischen Bilderwelt und Literatur

Der Vortrag behandelt das Motiv des gefesselten Eros in der griechisch-römischen Bilderwelt und Literatur. In der Figur des in Ketten gelegten und damit für seine Schi­kanen gegen unglücklich Verliebte bestraften Liebesgott verdichten sich unter­schiedliche Bezüge und Bedeutungsebenen zu einem Panoptikum des Begehrens, das sich aus universalen Aspekten affektiver Erfahrung speist und dabei zugleich in hohem Maße von kulturellen Konzepten sowie sprachlichen und künstlerischen Ausdrucksformen geprägt ist.

Der Vortrag nimmt das Motiv zum Ausgangspunkt einer breitgefächerten Erörterung über das Wesen der Liebe zwischen göttlicher Macht und Affekt, über die Fesseln der Leidenschaften und die Ketten der Vernunft, über universale und zeitgebundene Aspekte des Begehrens und über die Verstrickungen konkreter und metaphorischer Bedeutungen in der antiken Bildsprache.

 

Donnerstag, 12. Juni | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3

Dr. Chiara Thumiger (Kiel)
Geschlecht, Sexualität und die Konstruktion von Normen in der Medizin

Die Unterscheidung zwischen den Geschlechtern spielt in der antiken Medizin erwar­tungsgemäß eine wichtige Rolle, und zwar in mehrfacher Hinsicht: als Konzeptualisierung von Körpermerkmalen und individueller Psychologie, als Ensemble physiologischer Fähigkeiten, aber auch als sozial und zwischenmenschlich determinierte Rollenerfüllung, ‘Performance’, die der Arzt hinterfragt und in manchen Fällen zu beeinflussen versucht. Schon in den Texten der klassischen Epoche, die zum Corpus Hippocraticum gehören, werden „männlich“ und „weiblich“ thematisiert, und die Existenz einer Norm in dieser Hinsicht scheint, wenn auch nicht explizit formuliert, zuweilen die Anliegen des Arztes zu unterstreichen. In diesem Beitrag stelle ich einige berühmte Beispiele aus den De Aeribus, Aquis, Locis und den hippokratischen Epide­mien vor, um dann spätere Entwicklungen in der Konstruktion einer 'sexuellen Pathologie' in der griechischen gelehrten Medizin zu veranschaulichen.

 

Donnerstag, 3. Juli | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3  

Prof. Dr. Michael Heinzelmann (Köln)
Ziegelbau in Rom. Innovativ? Effizient? Nachhaltig? – Eine kritische Bilanz

Ziegel als Baustoff scheint in der kaiserzeitlichen Architektur Roms und Ostias omnipräsent zu sein: von den Residenz- und Repräsentationsbauten der Kaiser, über die großen Unterhaltungsbauten bis hin zu einfachen Wohnhäusern und Gräbern - überall prägen die roten Ziegelfassaden das kaiserzeitliche Stadtbild. In der Architek­turforschung hat sich für diesen erstaunlichen Erfolg des Ziegelbaus das Narrativ einer stringenten Entwicklung der römischen Mauerwerkstechniken etabliert, deren Kulminationspunkt im opus latericium erreicht worden sei. Dabei wird der Ziegelbau oft mit Schlagworten, wie ‚innovativ‘, ‚effizient‘ oder ‚nachhaltig‘ belegt. Aber stimmt diese Perspektive eigentlich? Ausgehend von neueren bauökonomischen Untersu­chungen zieht der Vortrag eine kritische Bilanz – mit teilweise überraschenden Ergebnissen.

 

Donnerstag, 10. Juli | 18.30 Uhr | Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3  

Prof. Dr. Caroline Vout (Cambridge)
What is Roman about Roman representations of sex?

This lecture takes a comparative look at the visual material that the literature on gender and sexuality traditionally considers as "Greek" or "Roman". Aware of the problems of, and overlaps between, these categories, and respectful of exceptions to any rule, it seeks to find patterns and to explain these patterns both in terms of specific contexts of use and broader cultural mores. It contends that there are subtle yet important differences in how these bodies of material see sex and gender, and that these have as much to say about politics as they do about physical relations. Rome emerges as more sensitive than we might think, adapting its Greek artistic inheritance to explore and escape the anxieties of a hierarchical, multicultural empire.

 

Christian-Albrechts-Platz 3, Hörsaal 3

24118 Kiel